Antwortbriefe auf den Brief des Bischofs an die Priester im Bistum
Pfarrvikar Matthias Karwath, Kürnach schrieb im November 2009 an den Bischof:
- Echo auf Ihren Brief zum Zölibat -
Sehr geehrter Bischof Dr. Friedhelm Hofmann,
Sie sind in einem Brief an uns Priester auf den Zölibat eingegangen und laden
uns ein, Ihnen zu antworten. Das möchte ich mit diesem Brief tun. Der Zölibat
als Lebensform für einen Priester ist in meinen Augen eine sinnvolle und
erfüllende Lebensweise, wenn er von zwei Grundlagen getragen wird:
Von einer Form der Spiritualität, die den jeweiligen Priester im Innersten
berührt und zu Gott führt und von einem Beziehungsnetz menschlicher Kontakte, in
dem der Priester sich als Mensch zeigen darf und als solcher ernst genommen
wird.
Bei der sich abzeichnenden Entwicklung immer größer werdender
Pfarreiengemeinschaften sehe ich folgende Gefahren bzw. Engpass-Situationen auf
den einzelnen Priester zukommen:
1. Die Beziehungslosigkeit der Priester und damit das Problem der Einsamkeit
wird zunehmen. Ein Priester, der für mehrere Pfarrgemeinden zuständig sein soll
(Im Bistum Essen und Münster werden ?Seelsorgseinheiten? von 20.000 bis 40.000
Gläubigen geschaffen.), wird heimatlos. Er verliert den Kontakt zu den meisten
Gläubigen, er wird zur übergeordneten Größe, zum Großunternehmer, der nur noch
mit dem engsten Mitarbeiterstab Kontakte aufrechterhalten kann. Andere Formen
der Gemeinschaft (Dies bzw. Pastoralkonferenz) beschränken sich auf einen
inhaltlichen und informellen Austausch, tragen aber nicht.
2. Beziehungen zu gestalten, braucht Zeit und gemeinsam erlebte Erfahrungen. Wie
will ein Priester von heute oder morgen Zeit für Beziehungen gewinnen, wenn ihm
angesichts der Fülle von Aufgaben und Verpflichtungen die Zeit mehr und mehr
davonläuft?
3. Der Zölibat der Priester wird vom überwiegenden Teil der Gläubigen nicht mehr
mitgetragen. Die meisten Gläubigen sind davon überzeugt, dass wir ohne den
Zölibat als bindende Voraussetzung für die Priesterweihe mehr Priester zur
Verfügung hätten als in der jetzigen Situation. Ich teile diese Ansicht. (Allein
aus meinem Weihekurs haben drei Priester aufgehört und geheiratet!) Die meisten
Gläubigen haben den Eindruck, dass der Zölibat der Priester auf Kosten der
Eucharistie aufrechterhalten wird. Auch nach meiner Auffassung werden in der
jetzigen Notsituation der Kirche der Wert des Zölibats und der Wert der
Eucharistie in ein ungutes Gegenüber, ja einen Konkurrenzkampf verwickelt, den
die Gläubigen vor Ort verlieren. Ihnen wird zugemutet, die
Eucharistie-Gemeinschaft in ihrer Heimat aufzugeben und an einem fremden Ort mit
fremden Menschen Eucharistie zu feiern. Vor die Wahl gestellt, ob die Gläubigen
eher einen zölibatären oder verheirateten Priester wollen, der regelmäßig ihrer
Eucharistiefeier vorsteht, würde ein Großteil befürworten, dass der Priester in
ihrer Heimat regelmäßig die Eucharistie feiert und sich für die Form seines
priesterlichen Lebens frei entscheiden kann. Wenn die Priester vor Ort immer
mehr das Gefühl bekommen, dass sie in ihrer zölibatären Lebensform nicht mehr
von den Gemeinden mitgetragen werden, erhöht das ihre Einsamkeit und Isolation.
Sehr geehrter Bischof Hofmann, ich halte es vor diesem Hintergrund für dringend
notwendig, dass über die Frage der Zulassungskriterien zum priesterlichen Amt
offen gesprochen und um eine gute Antwort gerungen wird. Ich hoffe, Sie spüren
aus meinen Worten heraus, dass ich den Zölibat für wertvoll halte, gleichzeitig
aber befürchte, dass er angesichts der Entwicklung der nächsten Jahre immer
schwerer lebbar sein wird.
Es ist jedem Beteiligten klar, dass eine Aufhebung des Pflichtzölibats für
Weltpriester nicht schlagartig alle Probleme lösen wird. Ich bin trotzdem der
Überzeugung, dass eine Erweiterung der Zulassungskriterien eine Entlastung, eine
Entkrampfung und eine Befreiung in unserer Kirche bewirken wird.
Im Übrigen teile ich nicht Ihre Meinung, dass der Priestermangel eine Folge des
Gläubigenmangels ist. Wenn immer weniger Jugendliche und Kinder einen Pfarrer
bzw. Kaplan erleben, braucht man sich nicht zu wundern, wenn der Beruf des
Priesters bei jungen Männern keine Rolle spielt. Und wenn immer mehr Menschen
erleben, dass der Pfarrer überlastet einem Termin nach dem anderen, oft sogar
einer Eucharistiefeier nach der anderen nachjagt, verliert der an sich so schöne
und wertvolle Beruf des Priesters erst recht an Attraktivität.
Ich begrüße sehr, dass Sie dieses Thema auf der Bischofskonferenz einbringen
wollen und würde Sie auch bitten, es in Ihrem nächsten Gespräch mit Papst
Benedikt VI. anzusprechen.
Ich wünsche Ihnen alles Gute und verbleibe mit freundlichen Grüßen.
Pfarrvikar Matthias Karwath